Radikalisierung braucht Lebenskrisen
Christian Weißgerber zu Gast in der Rosa-Parks-Schule Herten
30.03.2022
Aussteiger aus der rechten Szene Christian Weißgerber zu Gast in der Rosa-Parks-Schule Herten. Im Rahmen der Woche gegen Rassismus lud das „Demokratie leben!“ am 21.03.22 den Philosophen und Kulturwissenschaftler Christian Weißgerber ein, um mit 37 Oberstufenschüler*innen der Rosa-Parks-Schule Herten über seine rechte Vergangenheit, seinen Ausstieg und die Beweggründe für diesen zu sprechen. Daniela Franken-Vahrenholt vom Haus der Kulturen begrüßte die Schüler*innen am internationalen Tag gegen Rassismus zu der Veranstaltung
Die Hertener Schüler*innen lauschten Weißgerbers Vortrag zunächst gebannt, der sehr offen, direkt und ehrlich über seine Vergangenheit als Nazi berichtete. Hierbei ist Weißgerber auf seine Familiengeschichte und Jugendzeit eingegangen:
Aufgewachsen in Eisenach wurde er beeinflusst durch das Narrativ des „hart arbeitenden Ossis“ und entwickelte eine Haltung „gegen die Wessis“. Er kommt aus eher bescheidenen Verhältnissen in einem ärmeren Stadtteil, zählt sich selbst zur Arbeiterklasse, die Mutter floh vor seinem Vater in den Westen, sodass Weißgerber mit seinem Vater und seinen Schwestern zurückblieb. Weißgerber besuchte das Gymnasium und dort sogar den Geschichts-LK. Er beschäftigte sich intensiv mit der Geschichte der „Verlierer“ und kam im Zuge dessen zu der Überzeugung, dass Deutsche auch Opfer waren.
Er stellt klar, dass ärmliche und schlimme Verhältnisse nicht unbedingt notwendig seien, um rechtsextrem zu werden und zieht den Vergleich zu gebildeten AFD Funktionären und Politikern. Seine Schlussfolgerung besteht darin, dass Intelligenz Rassismus nicht ausschließe, sondern dass vielmehr Lebenskrisen, so wie die Pubertät oder auch die aktuelle Coronakrise Radikalisierung den Boden ebnen würden. Er spricht von der „Faszination des Bösen“, von der Erfahrung, gefürchtet zu werden als Machterlebnis. Von Nazis könne man nur dann erfolgreich angeworben werden, wenn man es auch wolle.
Weißgerber kam während seiner Ausführungen immer wieder auf die aktuellen Themen Coronakrise, Querdenker und Ukrainekrieg zu sprechen, sodass für die Schüler*innen auch jenseits des Bezuges zur rechtsradikalen Szene Verknüpfungen zu aktuellen und lebensweltnahen Problematiken zustande kamen.
Nach Weißgerbers Vortrag hatten die Schüler*innen Gelegenheit, eigene Fragen zu stellen. Die Fragen der interessierten Oberstufenschüler*innen kreisten unter anderem um Weißgerbers Bundeswehrzeit, seine Tattoos, die er sich unlängst überstechen ließ, wie seine Familie auf die Radikalisierung reagierte und wie er mit den Nazis in Kontakt gekommen sei. Weißgerber, der früher den Holocaust geleugnet hatte, konnte sich befreien, als ihm bewusst wurde, dass die Ideologien nicht zutreffen und ihm so Veränderungen in seinem Bewusstsein gelingen konnten. Eine Botschaft, die für jeden aktuell wichtiger ist denn je.